Literatur-Cafe - Meine Geschichten

Im 200. Theodor Fontane Jahr - Eine Erinnerung an Effi Briest

Am heutigen 3. Oktober 2019 ist in der "Zeit" ein mehrseitiger Artikel über Theodor Fontane. Dies inspirierte mich meinen Artikel, den ich vor Jahren in der "Sternzeit" veröffentlichen durfte, hier in gekürzter Form einzustellen. Wer den ganzen Artikel möchte, schreibt mir einfach ein Email.

Wem Literatur etwas bedeuten, der sollte sich alle paar Jahre einmal die Frage stellen, welche Autoren seines Literaturhimmels ihm die wichtigsten sind, und sich die Antworten merken. Er wird im Laufe der Zeit feststellen, dass manche Lieblingsdichter Sternschnuppen gleichen, die aufleuchten und vergehen, andere, wie der Mond, mal dieses mal ein anderes Gesicht zeigen, vielleicht sogar ganz verschwinden, wenige aber nur, wie Fixsterne ihren festen Platz behaupten. Theodor Fontane ist für mich ein solcher Fixstern gewesen und geblieben. Literaturwissenschaftler halten Fontane für den größten deutschen Romanschreiber der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Thomas Mann sagte über ihn: „Er wurde geboren um der „Alte Fontane“ zu werden.“

Biografie

Theodor Fontane geb. 30.12.1819 um 16.30 in Neuruppin, er machte eine Apothekerlehre und wurde Apotheker erster Klasse. Er ging in die Apotheke des Vaters in Letschin. In der Sturm- und Drangzeit nahm er teil an den Barrikadenkämpfen des 18. März 1848.

Danach gab er den Apothekerberuf auf und wurde freier Schriftsteller und Korrespondent der Dresdner Zeitung.

1850 Heirat mit Emilie Rouanet-Kummer, sie bekommen drei Söhne und eine Tochter. Er arbeitet in Berlin.

Von 1855-59 ist er in London. Er hat den Auftrag für den Aufbau einer deutsch-englischen Pressekorrespondenz im Auftrag der preußischen Regierung.  

Er schreibt für Zeitungen, macht Theaterkritiken und schreibt natürlich seine Romane.

1866 reist er auf die böhmischen und süddeutschen Kriegsschauplätze als Kriegsberichterstatter.

Erst nach schwerer Krankheit und im Alter schreibt er

die Biografie „Meine Kinderjahre“.

1896 schreibt er den Roman Effi Briest

1897 sein Letzter Roman ist „Der Stechlin“ Die Buchausgabe ist erst nach Fontanes Tod am 20.9. 1898 in Berlin

 

Skandal

Fontane schreibt in einer Zeit, in England wird sie das Viktorianische Zeitalter genannt, in der Sexualität oder der nackte menschliche Körper ein Tabu sind. Ein so großes Tabu, dass sogar über die Beine des Konzertflügels Tücher gewickelt wurden, damit zartbeseiteten jungen Damen nicht zu nahe getreten wurde. Das Wort Hose war in Damengesellschaft unaussprechlich. So dass man dieses Kleidungsstück die „Unausprechliche“ taufte.

Eine Dame existierte nur bis zur Taille. Der Rest war tabu. Es war eine Zeit, wo selbst viele Ärzte nur eine vage Vorstellung hatten von der Funktion des weiblichen Körpers. Auch existierte das Wort Ehebruch in der besseren Gesellschaft nicht, und wenn dann nur hinter vorgehaltener Hand. Ein Herr der besseren Gesellschaft, der auf sich hielt hatte eine Geliebte, vom König angefangen. Diese Geliebte war natürlich keine Dame, denn sie hatte einen Unterleib.

Das große Tabuthema, dass Frauen vielleicht auch so etwas wie Gefühle/Bedürfnisse/Mond haben könnten und wie die Gesellschaft damit umgeht, bringt Fontane sehr einfühlsam in seinen Romanen an die Öffentlichkeit.

Ein Vorabdruck seines Romans Irrungen, Wirrungen, erscheint in der Vossischen Zeitung, einer ehrwürdigen, liberalen Berliner Tageszeitung, als Fortsetzungsroman und wird zu einem Skandal: Zitat Leserbrief „ Wird denn die grässliche Hurengeschichte nicht bald aufhören.“ Oder eine andere Kritik. Der Dichter habe die Wege der Unsittenschilderung eingeschlagen. Die Unsitte bezieht sich auf eine Übernachtung eines unverheirateten Paares, er ist adliger Leutnant sie einfache Näherin in einer Waldpension. Es wird lediglich geschrieben, dass sie dort ein gemeinsames Zimmer haben, sonst nichts, kein Kuss, geschweige denn mehr. Fontane durchschaut die Gesellschaft und wird dadurch zum Aussenseiter.

Effie Briest und Elisabeth von Ardenne

Wie viele Romane und Erzählungen Fontanes geht Effi Briest auf eine wahre Begebenheit zurück:

die Geschichte von Armand Léon Baron von Ardenne und seiner Frau Elisabeth (Else), geborene Freiin von Plotho. Elisabeth heiratete ihn offenbar aufgrund einer Intervention ihrer Mutter, obwohl sie ihn zuvor abgewiesen hatte. Im Sommer 1881 übersiedelten die Eheleute nach Düsseldorf, wo Ardenne als Rittmeister bei den Husaren diente. Das gebildete, weltoffene Paar versammelte einen großen Freundeskreis um sich, zu dem auch der Amtsrichter Hartwich zählte. Zwischen diesem und Else entwickelte sich ein intimes Liebesverhältnis; beide hatten vor, sich von ihren Ehepartnern zu trennen und zu heiraten. Armand von Ardenne, der inzwischen von der Affäre erfahren hatte, verschaffte sich die Korrespondenz der beiden, reichte eine Scheidungsklage ein und forderte seinen früheren Freund zum Duell, das am 27. November 1886 stattfand. Hartwich erlag wenige Tage darauf seiner Schußverletzung, und am 15. März 1887 wurde die Ehe zwischen Armand und Else rechtskräftig geschieden. Ardenne wurde wegen des Duells zu Festungshaft verurteilt, bald darauf aber begnadigt und konnte seine militärische Karriere fortsetzen. Else durfte die gemeinsamen Kinder nicht wiedersehen; sie widmete sich für den Rest ihres Lebens humanitären Aufgaben und starb 1952, ein Jahr vor ihrem hundertsten Geburtstag.

Gegenüber den tatsächlichen Begebenheiten ist die Handlung des Romans stark verändert, und das offenbar nicht nur aus Gründen der Diskretion – angefangen beim großen Altersunterschied des Paares (Effi ist zum Zeitpunkt der Eheschließung 17, Innstetten 38) bis hin zum frühen Tod der Heldin. Effis Seitensprung ist weniger das Ergebnis ihres eigenen Willens als vielmehr ihrer Unfähigkeit, sich dem Willen des Majors Crampas zu widersetzen. Scheidung und Heirat ziehen Effi und Crampas nie ernsthaft in Erwägung, auch wenn Effi einmal von »Flucht« spricht. Innstetten sucht nicht mit Absicht nach Beweismaterial für eine Scheidung, sondern stolpert zufällig darüber und glaubt, der Pflicht zur Wiederherstellung seiner Ehre durch ein Duell genügen zu müssen. So ergibt sich, viel mehr als es in der Realität der Fall gewesen sein dürfte, das Bild einer verhängnisvollen Verstrickung, die Crampas und Effi das Leben kostet und auch Innstetten ohne wirkliche Genugtuung zurückläßt.

Grab von Effie

 

Quellen

Theodor Fontane „Meine Kinderjahre, Sammlung Dieterich

Effi Briest, Roman Deutscher Bücherbund

Sowie Fontane Blätter, Herausgeber Theodor Fontane-Archiv, Potsdam